Die Lernhaltung Mathe gegenüber muss sich grundsätzlich ändern.
Eindrucksvoll, hier wird Klartext gesprochen, der stark macht! In Kalifornien, USA, wird neu gedacht: "Jeder kann Mathe lernen!". Namhafte Personen der Bildung, Wirtschaft und Wissenschaft setzen sich dafür ein, neue wissenschaftliche Erkenntnisse weiterzugeben und endlich in die Praxis zu bringen. Den Menschen soll bewußter sein, dass Mathe vielseitig und spannend ist und dass jeder Schüler natürlicherweise die besten Voraussetzungen dafür mitbringt, Mathe erfolgreich zu erlernen. Es geht ein Ruck durch die Gesellschaft, man denkt um und befreit sich. Weg von der alten, lähmenden Denke "Mathe können nur Wenige" und hin zu den Fingerzeigen der modernen Forschung "Mathe lernen kann Jeder, es ist erlernbar wie alles Andere auch. Das Hirn ist bereit." In den Schulen wird diese wichtige Grundeinstellung offen diskutiert und vermittelt. So sollen gedankliche Hindernisse von Anfang an aus dem Weg geräumt werden und Schüler sich unbeschwert ihrem Lernen widmen können.
Vor einem Jahrzehnt bin ich in das Thema "Mathe lernen" eingestiegen. Meiner Leidenschaft "Lernen" folgend, besuchte ich eine lerntherapeutische Weiterbildung. Ich hatte unterschätzt, welch Weite damit vor mir lag. Eine fantastische Welt der Muster, der Sprache und Zeichen, der kulturellen Errungenschaften, der wundervollen Natur und Biologie, der Psychologie und Soziologie. "Mathe lernen" ist so viel mehr als mit Zahlen arbeiten und Rechenregeln folgen! "Mathe lernen" zu verstehen und erfolgreich weiterzugeben ist, wie Lehre im allgemeinen, eine hohe Kunst. Hut ab vor guten Lehrern!
Eine fantastisch offene und anregende Welt, eigentlich unsere Welt mit neuem Blick wahrgenommen. Die Herausforderung ist also, dass Schüler diesen eigenen Blick auf ihre Welt entwickeln. Es geht nicht darum, Rechnungen nachzurechnen oder Formeln anzuwenden, sondern darum Zusammenhänge zu entdecken und mit Zusammenhängen zu spielen, sie immer wieder neu zu sehen und zu kreieren. Mathe erlaubt es auch und insbesondere kindliche, keimende kognitive Fähigkeiten wunderbar anzusprechen und Lernende mitzunehmen auf eine ganz besondere Reise: es geht nicht in ein fremdes, verwirrendes Land, sondern es geht ins Leben, Lernende entdecken ihr Umfeld und ihre Möglichkeiten neu und oftmals das eigentlich "Unsichtbare".
Je mehr ich über "Mathe lernen" lernte, umso düsterer wurde es allerdings all zu oft. Zu oft hört und liest man von "Lernschwäche", "Lernstörung", "Dyskalkulie". Klar, ein wichtiges Thema und ich wollte den Stand der Debatte hierzu auch verstehen. Aber welch Schreck, wird denn noch erkannt, dass es hier um ganz große Ausnahmen geht? Zu oft geht es weitgehend um Defizite und entsprechende Etiketten wie z.B. "Lernschwäche". Wir müssen umdenken. Wir müssen uns fragen, wie diese Etiketten verstanden werden und ob das Ausmaß dieser Etiketten tatsächlich gerechtfertigt ist. Wir müssen uns fragen, ob die Beratung und Beurteilung hierzu tatsächlich fundiert genug ist und ob sie immer und überall mit Kompetenz und Sensibilität erfolgt. Wir müssen uns fragen, wie wir Mathe Lernen trotzdem weiterbringen und die "jüngsten Mathematiker" erfolgreich und hilfreich begleiten und lehren können.
Gerade das Grundschulalter ist so wichtig für fundamentales Lernen und die gesunde Entwicklung des Selbstbildes der kleinen Schüler ... und damit so abhängig von guten, engagierten, sorgsamen, führenden Lernbegleitern in Schule und Elternhaus.
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